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1158.

1828, 31. August (?).

Mit Constantin Kraukling

Auf Zureden seiner Weimarer Freunde ging Kraukling auch dorthin [nach Dornburg], meldete sich schriftlich bei Goethe an, wurde angenommen und war pünktlich zur bestimmten Stunde auf dem Schloß. Der Kammerdiener empfing ihn mit den Worten: »Excellenz erwarten Sie schon.« Er führte Kraukling in einen Saal, in den Goethe bald darauf eintrat, der den jungen Mann herzlich begrüßte, indem er ihm beide Hände reichte. Dann sagte er: »Kommen Sie! Wir wollen uns hier an's Fenster setzen und ein wenig plaudern.«

[ Gräf Nr. 1639: Als Kraukling Gerhard's Auftrag [ihn nach Leipzig einzuladen] ausgerichtet, erwiederte Goethe: »Ich habe noch so viel zu thun, um meine Arbeiten zum Abschluß zu bringen, daß ich durchaus keine Reise mehr machen kann; ich versage mir sogar eine Badereise.«

Unter seinen letzten Arbeiten nannte er die ›Helena‹, über die er äußerte: »Sie ist eine fünfzigjährige Conception. Einzelnes rührt aus den ersten Zeiten her, 321 in denen ich an den ›Faust‹ ging, andres entstand zu den verschiedensten Zeiten meines Lebens. Als ich daranging, alles in Einen Guß zu bringen, wußte ich lange nicht, was ich damit machen sollte. Endlich fiel mir's wie Schuppen von den Augen; ich wußte, nur so kann es sein und nicht anders.« ]

Dann sagte Goethe: »Nennen Sie mir einige von Ihren Bekannten, mit denen sie besonders gern umgehen und die in der Zukunft etwas zu leisten versprechen!« Kraukling nannte einige Künstler und Schriftsteller. »Nein!« rief Goethe, »diese kenne ich schon. Ich meine Leute aus Ihrem nächsten Kreise, die noch keinen sehr bekannten Namen haben. Ich liebe es aus solchen Nachrichten über bemerkenswerthe Persönlichkeiten mir ein Bild der Zukunft zu entwerfen.«

Noch über verschiedene Gegenstände verbreitete sich das Gespräch, das Goethe bisweilen auf das wundervolle Landschaftsbild deutend, das von Dornburg aus sich vor den Augen aufthut – mit Ausrufen unterbrach, wie: »Sehen Sie da die herrliche Beleuchtung! Das ist ja prächtig,« und dergleichen. Auch zeigte Goethe die von Neureuther zu seinen Balladen und Gedichten entworfenen Randzeichnungen vor, die ihm Cornelius übersandt hatte.

Kraukling beabsichtigte noch nach Jena zu gehen, um die Universitätsbibliothek zu benutzen, zu welchem Zweck Goethe ihm einen Brief an den Bibliotheksbeamten Dr. Weller mitgab, in welchem er jenen als einen wohldenkenden und wohlunterrichteten jungen Mann bezeichnete.

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