285 [ Gräf Nr. 1201:

Faust.

Mephistopheles tritt vor.

Wie wag' ich's nur bei solcher Fackeln Schimmer!
Man sagt mir nach ich sei ein böser Geist,
Doch glaubt es nicht! Fürwahr ich bin nicht schlimmer
Als mancher der sich hoch-fürtrefflich preis't.
Verstellung sagt man sei ein großes Laster,
Doch von Verstellung leben wir;
Drum bin ich hier, ich hoffe nicht verhaßter
Als andre jene, vor und hinter mir.
Der kommt mit langem, der mit kurzem Barte
Und drunter liegt ein glattes Kinn,
Ein Sultan und ein Bauer gleich von Arte
Verstellen sich zu herrlichstem Gewinn
Euch zu gefallen. So, den Kreis zu füllen,
Komm' ich als böser Geist mit bestem Willen.
Denn böser Wille, Widerspenstigkeit, Verwirrung
Der besten Sache fährdet nicht die Welt,
Wenn scharfes Aug' des Herrschers die Verirrung
Stets unter sich, in kräft'ger Leitung, hält;
Und wir besonders können sicher hausen,
Wir spüren nichts; denn alles ist dadraußen.
Nun hab' ich mancherlei zu sagen,
Es klingt beinah wie ein Gedicht;
Betheur' ich's auch, am Ende glaubt Ihr's nicht,
So muß ich's denn wie vieles andre wagen.
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Hier steht ein Mann, ihr seht's ihm an,
In Wissenschaften hat er g'nug gethan,
Wie dieses Vieleck das er trägt
Beweis't, er habe sich auf vielerlei gelegt.
Doch da er Kenntniß g'nug erworben,
Ist er der Welt fast abgestorben.
Auch ist, um resolut zu handeln,
Mit heiterm Angesicht zu wandeln,
Sein Äußres nicht von rechter Art,
Zu lang der Rock, zu kraus der Bart;
Und sein Geselle wohlbedächtig
Steckt in den Büchern übernächtig.
Das hat der gute Mann gefühlt
Und sich in die Magie gewühlt.
Mit Cirkeln und Fünfwinkelzeichen
Wollt' er Unendliches erreichen,
Er quälte sich in Kreis und Ring,
Da fühlt' er daß es auch nicht ging.
Gequält wär' er sein Lebelang;
Da fand er mich auf seinem Gang.
Ich macht' ihm deutlich, daß das Leben,
Zum Leben eigentlich gegeben,
Nicht sollt' in Grillen, Phantasien
Und Spintisirerei entfliehen.
So lang man lebt, sei man lebendig!
Das fand mein Doctor ganz verständig,
Ließ alsobald sich wohlgefallen
Mit mir den neuen Weg zu wallen.
Der führt' uns nun zu andern Künsten,
Die gute Dame war zu Diensten.
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An einem Becher Feuergluth
That er sich eilig was zu gut.
In einem Wink, eh man's versah,
Stand er nun freilich anders da;
Vom alten Herrn ist keine Spur;
Das ist derselbe, glaubt es nur.
Und wenn Euch dieß ein Wunder deucht,
Das Übrige ward alles leicht.
Ihr seht den Ritter, den Baron
Mit einem schönen Kinde schon.
Und so gefällt es meinem Sinn,
Der Zauberin und der Nachbarin.
Ich hoffe selbst auf Eure Gunst!
Im Alter Jugendkraft entzünden,
Das schönste Kind dem treusten Freund verbinden,
Das ist gewiß nicht schwarze Kunst.
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