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22/6185. An Carl Ludwig von Knebel

Du sollst, mein lieber Freund, auch wieder einmal etwas von mir vernehmen, ob ich gleich dießmal nicht viel zu sagen habe. Wir sind in Erwartung der Dinge, die da kommen sollen. Unsere Hoheit läßt sich nicht mehr öffentlich sehen, war aber das letztemal als ich sie sprach, ganz heiter und so ist sie es auch noch, wie ich höre.

[ Gräf Nr. 1137: An die Prinzeß sind die Zeichnungen zum Faust abgegangen. Ich wünsche daß sie Beyfall erhalten mögen. ]

Daß die Schlegelschen Vorlesungen dir nicht behagt, thut mir leid. In unsern Zeiten sollte man immer dieses oder jenes nachsehen. Alles Partheyliche fällt mir wenig auf. Hat man es einmal zugegeben, und ist das Werk sonst gut geschrieben, so kann man wohl Vergnügen und Nutzen daraus ziehen.

Mir ist ein wunderbares Heft in die Hände gekommen, was du vielleicht auch schon gesehen hast. Es sind Briefe, die Prinz Eugen an gleichzeitige Kriegs- und Staatsmänner geschrieben haben soll. Der Herausgeber, von Sartori, Bibliothekar zu Wien, will die Originale besitzen, die französisch seyn sollen. Allein diese Briefe scheinen mir problematisch. Sie sind mit Geist, Freyheit und Einsicht geschrieben; aber hie und da klingen sie doch etwas zu modern. Die Thätigkeit und Ungerechtigkeit der Franzosen wird 156 gar zu stark mit der Wohldenkendheit und Langsamkeit des Wiener Hofs in Gegensatz gebracht, so daß es aussieht, man habe sich dieser Maske bedienen wollen, um etwas öffentlich zu sagen, wozu sich kein Gleichzeitiger leicht bekennen dürfte. Unsre Herren Kritiker werden das bald ausmachen.

Ein recht interessantes Buch ist mir auch zugekommen: Johannes Spix von München, Geschichte und Beurtheilung aller Systeme in der Zoologie. Es ist mit viel Kenntniß sehr gut und klar geschrieben. Diese Dinge berühren dich zwar nicht eigentlich; aber wenn dir das Büchlein begegnet, so siehst du wohl die Einleitung an und die ersten griechischen und römischen Zeiten.

Unser Vogelschießen ist sehr lebhaft, und man kann dort die sämmtlichen Stände von Weimar in einem mäßigen Bezirk, Tags und Abends, beysammen finden. Ich habe mich einige Male, obwohl nur auf kurze Zeit, draußen umgesehen.

Was mich jetzt vorzüglich beschäftigt, ist, mit Meyern die Hefte seiner Kunstgeschichte durchzugehen, welche schon jetzt vortrefflich genannt werden können. Betrachtet man sie aber als Grundlage eines ausführlichen Werkes, so geben sie die größten Hoffnungen.

Meine biographischen Späße gehen auch ihren Gang und werden gegen Michael aufwarten.

Von einem merkwürdigen Manne lege ich einige unerfreuliche Hefte bey. Es giebt doch recht wunderliche Menschen! Lebe recht wohl und grüße die Deinigen zum allerschönsten.

Weimar den 24. August 1811.

Goethe.